Samstag, 4. Februar 2017

Samstag, 28. Januar 2017

Imagekampagne oder Infokampagne?

... oder
Rettung der Realschule plus

Den werten Lesern dieses Posts empfehle ich zunächst die Lektüre meines Beitrages »Imagekampagne« in diesem Blog.

Es macht sich keine Genugtuung breit, wenn ich nun sehe, dass meine Vorhersagen zum Niedergang der Realschulen plus in RLP zunehmend Realität werden, faktisch und keineswegs postfaktisch. Ganz im Gegenteil stimmt es mich traurig, das Siechtum einer ehemals florierenden Schulart erleben zu müssen, der ich über mein ganzes berufliches Leben hinweg eng verbunden war. Und es macht mich wütend zu sehen, mit welch geringem Sachverstand und mangelnder Weitsicht die Macher dieser Misere zu Werke gegangen sind.
Nunmehr wird die »Imagekampagne« in die Tat umgesetzt. Die Landesschau aktuell des SWR berichtete am 24. Januar 2017 darüber. Den mit „Realschulen plus stellen sich vor“ betitelten Beitrag können Sie in der Mediathek des SWR, meine Transkription des Videos können Sie hier einsehen.

Beim Betrachten des Berichts/Videos fiel mir zuerst auf, dass dort von »Infokampagne« gesprochen wird, nicht von »Imagekampagne«. Ein Lapsus der Berichterstatter? Oder gar eine gewollte Umwidmung, aus der Erkenntnis gewachsen, dass man ein Image nur dann aufpolieren kann, wenn es faktisch ein schlechtes ist? Der neue Begriff „Infokampagne“ erscheint mir da wesentlich sachlicher, er zielt auf die Schließung informeller Lücken bei den „Abnehmern“, sprich den Eltern (zukünftiger Schüler).

Erlauben Sie mir einen kleinen Rückblick in die Schulgeschichte des Landes RLP. Zahlreiche Maßnahmen wurden ergriffen, um die Hauptschule vor dem Ruin zu bewahren. Ein freiwilliges 10. Schuljahr wurde etabliert, damit man auch dort die „mittlere Reife“, den Realschulabschluss erreichen konnte. Modifikationen des Systems wurden vorgenommen, Regionale Schulen und Duale Oberschulen genannt, zahllose Infokampagnen wurden gestartet, u. v. a. m.
Alles „für die Katz“! Die Hauptschule gibt’s nicht mehr.
Man könnte aber auch sagen „es gibt sie noch, nur heißt sie jetzt anders“.

Der Vertreter des VBE plädiert in seinem Wortbeitrag, das Abitur an RS+ zu ermöglichen, „und dass dann dieses Sterben in Anführungszeichen vielleicht nachlassen könnte.“ Selbst wenn man das machte – was ich nicht glaube – es wäre…?
Ja, richtig: für die Katz.
Da kann ich nur wiederholen: geringer Sachverstand und mangelnde Weitsicht sind immer noch oder schon wieder am Werk! Das hatten wir doch alles schon mal … und haben nichts gelernt?
Noch eine Anmerkung dazu:
Ist „Sterben in Anführungszeichen“ weniger schlimm als sterben? Ist es ein Synonym zu „dahinsiechen“?

Doch zurück zum Bericht über die Infokampagne und dessen kritischer Betrachtung.
Wen erreichte/erreicht dieser Beitrag?“, frage ich mich.
Zielführend wäre doch wohl nur, wenn möglichst viele Eltern, bei der die „Wahl“ nach der Grundschule noch ansteht, informiert würden.
Wie viele Menschen dieser Klientel waren da anwesend oder haben den Bericht darüber im Fernsehen gesehen? Wohl eher wenige, sehr wenige. Das Wort „Wahl“ habe ich bewusst in Anführungszeichen gesetzt. Die haben sie ja offensichtlich nicht (Frau Lau: »Und es gibt auch viele Schüler, die natürlich auch erst zu uns kommen, wenn sie abgelehnt werden.«). Warum sollen Eltern sich für mögliche Wege/Abschlüsse an einer Schule interessieren, auf die sie resp. ihre Kinder gezwungen werden? Da kommt die Option „Fachabitur“ doch höchstens als Trostpflaster daher.
Wenn die Bildungsministerin Stefanie Hubig zutreffend äußert „Wir brauchen dringend Fachkräfte in Rheinland-Pfalz, und das ist eine Schulart, die sehr gut auf eine spätere Ausbildung, duale Ausbildung, vorbereitet, …“, dann ist das gewiss kein Argument für Eltern, die ihre Kinder dann dorthin schicken, um mit ihrem Nachwuchs einen Beitrag zur Beseitigung des Fachkräftemangels zu leisten! Für so manche Eltern kommt das als „Schönrederei“ daher.

Was extrahiert man aus dem Bericht bei aufmerksamer Betrachtung?“, frage ich mich des Weiteren. Einige Textzitate aus dem Bericht:
»85% der 800 Schüler haben einen Migrationshintergrund.«
Ich muss zugeben, dass ich den Kommentar hierzu zuletzt geschrieben habe. Zu heiß ist dieses Eisen, und schnell hat man sich den Mund verbrannt und wird in eine Ecke gestellt, in die man auf keinen Fall gehört. Jedoch ist das ein krasses Missverhältnis, welches die ehedem schwierige Integration noch problematischer macht und die tägliche Arbeit in der Schule erschwert.
Für solche Schulen müsste es ungeachtet der Standardregelungen (Klassengröße, Lehrerquote, …) unbedingt und dringlichst besondere Konditionen geben.

Ich bin mir nicht schlüssig, was diese Information bei den Eltern (ohne und mit Migrationshintergrund) bewirken wird. Auch frage ich mich, ob die betroffene Schule da ein Einzelfall ist, und ob etwas unternommen wird, um diese „Last“ innerhalb einer Kommune an den weiterführenden Schulen angemessen zu verteilen.
Da kommt mir die Parallelwelt in einer dänischen Stadt in den Sinn, in einem Vorort von Aarhus.
Dort war jüngst an einem Gymnasium der Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund auf 80% gestiegen. Um dem Trend, dass die Dänen ihre Kinder lieber auf andere Schulen schickten, entgegenzuwirken, bildete der Rektor reine Ausländerklassen und Mischklassen mit je 50% dänischen und ausländischen Kindern. Natürlich rief das Kritiker auf den Plan, die von „Diskriminierung“, „Segregation“ und „Rassismus“ sprachen. Mit Blick auf das gewichtige Anliegen „Integration“ erschien mir dieses Konzept jedoch pädagogisch überaus sinnvoll und vernünftig! »Für wirkliche Integration in den Klassen müssen beide Gruppen ausreichend vorhanden sein«, sagte der Rektor. Was bitte ist daran falsch?
Bei einer Quote von 85% (im Mittel also 3 bis 4 von 25 Schülern) muss man schon nachdenken darüber, wer da wen worin „eingliedert“.

»In der Orientierungsstufe sind … meistens zwei Lehrer unterwegs.«
Was heißt „meistens zwei Lehrer unterwegs“? Bestimmt nicht, dass in allen Stunden und allen Fächern zwei Lehrkräfte im Team unterrichten! Misst man die faktische Realität an der Vorstellung, die diese Äußerung provoziert, dann ist man womöglich von dem Etikett „postfaktisch“ nicht weit entfernt.

 »Trotz kleiner Klassen und individueller Betreuung …«
Diese Aussagen sind insbesondere für Außenstehende nicht zu verstehen. Nach meinem Kenntnisstand sind die Schülerzahlen in allen hier relevanten Schularten ab Klassenstufe 7 einheitlich auf maximal 30 begrenzt, lediglich in der Orientierungsstufe liegen sie in RS+ bei 25, in IGS/Gym z. Zt. bei 28. Bei diesen Unterschieden von ca. ± 10% von „klein“ (und „groß“) zu sprechen, erweckt ein falsches Bild, insbesondere, wenn man auch die unterschiedlichen Bedingungen bedenkt.
„Individuelle Betreuung“ ist ein grundlegender Anspruch an Unterrichtsqualität. Es ist nicht richtig zu behaupten, sie fände hie und dort nur aufgrund äußerer Vorgaben (wie Lerngruppengröße bzw. Klassenmesszahlen) in höherem Maße statt als anderswo.

»Die Schülerzahlen sind rückläufig, die Konkurrenz zur Integrierten Gesamtschule und Gymnasium ist groß.« 
Mit Verlaub: Eine „Konkurrenz“ (für IGS/Gym) ist die Realschule plus sicherlich nicht! Ob da einige an David und Goliath denken, … und dass David gewonnen hat? In diesem „Kampf“ wird das gewiss nicht so sein! Bestätigt wird dieses Bild durch »Um im Kampf um gute Schüler bestehen zu können, …«, bei solchen Formulierungen beschleicht den Pädagogen doch ein eigenartiges Gefühl. Gemeinhin kämpft man doch nur um etwas, was selten ist und nicht reichhaltig vorhanden.
Frau Lau führt aus, dass das insbesondere in der Stadt so sei. Na klar, wenn auf dem Land die Alternativen weit weniger gegeben sind, keine oder nur wenige IGS/Gym in erreichbarer Nähe. Dann wäre es doch ein probates Mittel, in der Stadt das IGS/Gym-Angebot auszudünnen, zumindest aber nicht zu vergrößern, dann wird der Andrang auf die RS+ wachsen.

»Um Realschulen plus im Land beliebter und bekannter zu machen, dazu will das Ministerium die Infokampagne auch auf andere Landkreise ausweiten. Ob das reicht, mehr Eltern und Kinder zu überzeugen, zeigen die nächsten Schüleranmeldezahlen.« 
Diesen Schlusssatz des Berichts zu kommentieren, versage ich mir. Aber vielleicht sollte das Bildungsministerium eine professionelle Werbefirma beauftragen. Die haben Übung darin, …
(Hier schweigt des Sängers Höflichkeit!)

Gewundert habe ich mich, dass bei speziell diesem Bericht über die Infokampagne nur wenig oder nichts über die Schule selbst gesagt wurde, ob sie schmuck und bestens ausgestattet daherkommt, der Schulgemeinschaft eine Wohlfühlumgebung bieten kann, … insbesondere im Vergleich mit den „Konkurrenten“ IGS und Gymnasium. Oder bildet sich das schlechte Image auch darin ab?

Wenn Frau Hubig den Fachkräftemangel beklagt, so kann ich nur sagen: Das hat sich das Land RLP selbst eingebrockt. Wir hatten mal eine gute „Mittelstandsschule“ (sie hieß „Mittelschule“ oder „Realschule“), die diesen Bedarf hervorragend deckte. Mit dem Konstrukt „Realschule plus“ wurde im Grunde nicht die „Hauptschule“, sondern eben dieses Glanzstück Realschule abgeschafft. Was heuer auf dem Türschild steht, geht am Faktischen völlig vorbei.
Diese Schulen sind nun in doppelter Hinsicht gebeutelt:
Sie sind „auf der Jagd nach guten Schülern“ und müssen eine überproportional hohe Quote an Menschen mit Migrationshintergrund integrieren und qualifizieren.
So lange die Verantwortlichen für unser Bildungssystem daran nichts ändern oder das nicht zum Besseren wenden, können sie so viel Image- oder Infokampagnen machen, wie sie wollen – sie werden das Siechtum dieser Schulart nicht aufhalten.


Sonntag, 14. August 2016

Rechtschreibung auf Talfahrt


Lesen Sie auch meinen Post Rechtschreibung? Ungenügend!
Am 8. August 2016 berichtete RTL Aktuell in der Hauptnachrichtensendung über den Niedergang der deutschen Rechtschreibung.
Vor 20 Jahren sei die Rechtschreibreform in Gang gesetzt worden, mit dem Ziel, das richtige Schreiben zu vereinfachen und die Fehlerquote zu reduzieren. Wie Bildungsforscher ermittelt hätten, habe sich die Fehlerquote inzwischen jedoch nahezu verdoppelt. Also: Ziel verfehlt!
Insbesondere in Hauptanliegen der Reform (groß/klein, getrennt/zusammen, ss/ß, …) seien drei Viertel der Menschen unsicherer als zuvor.

Als mögliche Ursachen wurden genannt
  • die sprachliche Vielfalt in den Klassen
  • der Umgang mit neuer Technik
Der Rat für deutsche Rechtschreibung habe RS-Nachhilfe für alle Schulen empfohlen.
Gewarnt wurde davor, eine erneute Reform in Gang zu setzen.


Zu „weitere Reform“ fällt mir übrigens ein „Bericht“ ein,
den ich am 31. Mai im Netz las:
»„Seid“ oder „seit“ An der richtigen Verwendung dieser beiden unscheinbaren Wörter scheitern mehr als 70 Prozent aller Deutschen. Nun hat das Bildungsministerium eine Reform angekündigt: Ab Beginn des neuen Schuljahres im Herbst ersetzt ein einheitliches "seidt" die beiden Formen.«
Richtig: Das war natürlich ein Aprilscherz.

Aber dieser Aprilscherz zeigt Techniken auf, die auch bei der Reform und ihren Nachbesserungen praktiziert wurden. Man lässt bisher unzulässige Schreibungen zu, so dass sie keine Fehler mehr sind – damit will man die Fehlerquote reduzieren. Hoppla (neudeutsch: ups)!
Eine weitere Reform jedoch – die zwar nötig wäre, um mit den Irritationen der vorigen aufzuräumen – würde die vorhandenen Unsicherheiten nur noch weiter vergrößern.
Es mag sein, dass die sprachliche Vielfalt in den Klassen, sprich die Vielzahl der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund, oder der Umgang mit neuer Technik, sprich Tablet und Smartphone und WhatsApp etc., Probleme bereiten.
Ich denke aber, die Ursachen liegen ganz woanders. Ein qualitativ hochwertiges Bildungssystem müsste in der Lage sein, derartige Belastungen zu verkraften, und zwar ohne dramatische Minderung der Qualität. Insbesondere dann, wenn an den richtigen Stellen Investitionen getätigt würden, statt nach Mottos zu verfahren wie „ … die Schule wird’s schon richten!“ und „Wir machen’s einfach!“.

Lassen Sie mich einige Hypothesen aufstellen, was Quellen des Niedergangs sein könnten.

Schreiben nach Gehör
Eine angeblich pädagogisch wertvolle und effektive Technik des Schreibenlernens in der Grundschule, dieses „Schreiben nach Gehör“.
Ich halte das für einen eklatanten Fehler. Alles was man schreibt, als Schriftbild vor Augen hat, prägt sich ein, „lernt“ man also. Und da man in diesem Alter sehr gut zu lernen vermag, prägt sich das bestens ein! Bevor man falsch Gelerntes richtig lernen kann, muss das Falsche weggelernt werden. Weglernen ist aber viel, viel schwieriger als Neulernen.
Ich kenne einige junge Menschen, inzwischen in der Oberstufe des Gymnasiums oder gar schon Studierende (sie haben also das Abitur geschafft), die sich immer noch damit herumschlagen. Nahezu irreparabel scheint das zu sein, was man sich dort in frühen Jahren eingehandelt hat.
Na ja, das System hat ja Auswege gefunden, damit umzugehen: Rechtschreibschwäche nennt man das. Einbahnstraßen allerdings. Ich möchte nicht in Abrede stellen, dass es legasthene Menschen gibt (die Entsprechung dieses Phänomens in Mathematik – dort gibt’s das auch – nennt man Dyskalkulie). Aber! Ähnlich wie bei ADS oder ADHS tummeln sich in diesen „pädagogischen Krankenhäusern“ Menschen mit Krankenschein, die dort eigentlich nicht hingehören.

Abschaffung der Schreibschrift
Wenn ich manchmal Schreibprodukte und Schulhefte meiner Ahnen besichtige – sie schrieben Fraktur oder Sütterlin – und dieses vergleiche mit jenen unserer heutigen Schüler, dann kommen mir die Tränen. Ist das wirklich zu akzeptieren, dass diese Kulturtechnik des „Schönschreibens“ stirbt?

Seit vielen Jahren kursiert im Netz der nebenstehende Text, bei dem die Buchstaben der Wörter durcheinandergewirbelt sind (bis auf den ersten und den letzten, die müssen stimmen)  
Anmerkung:
Ich hatte „durcheinander gewirbelt“ geschrieben, die Rechtschreibkontrolle von WORD markiert das als Fehler, … und tatsächlich: der Duden sagt, das sei zusammenzuschreiben, also „durcheinandergewirbelt“; und zusammenschreiben wird auch zusammengeschrieben, puh.

Die Begründung, weswegen man diesen Text dennoch schnell und fließend zu lesen vermag:
Das Gehirn prägt sich nicht die Einzelteile ein (also Buchstaben oder Buchstabenfolgen), sondern das gesamte Wort, und zwar als Bild. Das wiedererkannt wird, trotz wilder Buchstabendreher (natürlich spielt bei der Entschlüsselung auch die Wahrnehmung des Kontextes eine Rolle).
Und ich frage mich, wie sich Wortbilder einprägen sollen, wenn sie gar nicht existieren, die Schrift also aus einem relativen Chaos von Druckbuchstaben besteht.

Quelle, 12.08.2016

Zugegeben: Das ist ein extremes Beispiel, … aber keineswegs selten.
Wie las ich vor einiger Zeit in einem Beitrag von DIE WELT online: »Ein ordentliches Schriftbild zieht in der Regel auch eine gute Rechtschreibung nach sich.«
Ich bin sicher, dass das zutrifft!
Übrigens ist es eine beliebte Technik (z. B. in den Medien), mit Großbuchstaben zu schreiben, um das Problem „Groß- oder Kleinschreibung“ zu umschiffen.
Dieses Schreiben „wie Kraut und Rüben“, weit von Ästhetik entfernt, wirkt sich auch in anderen Bereichen nachteilig aus. Als Mathematiklehrer kann ich ein Lied davon singen, wie diffizil es ist, diesbezüglich unbedarften Lernenden beizubringen, wo ein Exponent hingehört und wo ein Index (Fußnote), wo der Bruchstrich und das Gleichheitszeichen usf. Wie oft stellen sich solche Schülerinnen und Schüler selbst ein Bein, scheitern mathematisch wegen ihrer Schrift.

Fehlerkultur
„Fehlerkultur“ ist ein wichtiger Begriff in der (modernen?) Pädagogik. Aus Fehlern kann man lernen, Fehler sind unverzichtbare Bestandteile des Lernprozesses, sie dürfen nicht verteufelt werden.
Aber die Besichtigung eines Fehlers muss einen Lernprozess initiieren, an dessen Ende die nachhaltige Beseitigung dieses Fehlers steht.
Wenn Schreibfehler markiert werden, dann „springen sie ins Auge“. Jedoch müsste zur Beseitigung des Fehlers die richtige Schreibung besichtigt werden, nicht immer wieder die falsche.

Irritation der Lehrkräfte
Es gibt eine Generation von Menschen, welche die alte Rechtschreibung gelernt, womöglich gar gut gelernt hat. Dann kam die Rechtschreibreform, … also umlernen (was, s. o., schwieriger ist als Neulernen). Dann kam die Modifizierung der Reform, … also umlernen; kennzeichnend dabei war die „Vorzugsschreibung“ (mithin „so oder so, aber besser so“), … also lernen. Lernen ist im fortgeschrittenen Alter deutlich schwieriger.
Was Rechtschreibung betrifft, war ich mal recht gut. Aber ich gestehe es: wenn ich heuer Texte verfasse, dann muss ich so oft in den Duden gucken wie nie zuvor. Und das ist nicht dem Alter geschuldet! Ich gehe davon aus, dass es vielen Menschen dieser Generation ähnlich ergeht. Was Rechtschreibung betrifft, ist es die „irritierte Generation“.
Und Menschen mit diesem Werdegang, also der irritierten Generation zugehörig, sind noch zuhauf als Lehrkräfte in den Schulen tätig.

Auftrag gemäß Rechtsverordnung
Die Rechtschreibung wurde in den letzten Jahrzehnten zunehmend aus Bewertungen herausgenommen. Spezielle Überprüfungen (Diktate) wurden mehr und mehr abgeschafft, beim kreativen Schreiben darf sie keine große Rolle spielen.
In Hausarbeiten oder Unterrichtsentwürfen oder Masterarbeiten, hier kamen dann die Juristen lukrativ ins Geschäft, durfte sie nicht in die Bewertung einbezogen werden.
Rechtschreibung ist Bestandteil von Qualität, darf nicht wegdividiert werden; wieso müssen z. B. angehende Polizisten einen Rechtschreibtest absolvieren und bestehen, angehende Lehrkräfte aber nicht? Das verstehe wer will, ich nicht!
Die Bildungsstrategen haben sich natürlich Gedanken gemacht und Rechtsverordnungen kreiert, in denen die Bewertung von Rechtschreib- und Zeichensetzungsleistungen geregelt ist.
In jener des Landes Rheinland-Pfalz heißt es:
»Für alle Unterrichtsfächer gilt: In Klassenarbeiten, schriftlichen Überprüfungen und den zumindest stichprobenweise überprüften Hausaufgaben werden Rechtschreib-, Grammatik- und Zeichensetzungsfehler gekennzeichnet. Von den Schülerinnen und Schülern muss, wenn notwendig und sinnvoll, eine Berichtigung der gekennzeichneten Fehler gefordert werden.«
Wissen das die Lehrkräfte und die Lernenden? Wird danach gehandelt, insbesondere von Lehrkräften der irritierten Generation? Da habe ich Zweifel!
Der Rat für deutsche Rechtschreibung meint mit seiner „Rechtschreib-Nachhilfe für alle Schulen“ die Lehrkräfte?

Freitag, 12. August 2016

Rechtschreibung? Ungenügend!

Lesen Sie auch meinen Post Rechtschreibung auf Talfahrt!

Jüngst (am 23. Juli 2016) stand in der Rheinpfalz ein bissiger Artikel über einen Landtagsabgeordneten, der die Regierung mit Kleinen Anfragen traktiere.
Überschrieben mit »Rechtschreibung? Ungenügend«.
Kärrnerarbeit eines Parlamentierers, der in der laufenden Legislaturperiode (ab Mitte Mai 2016) schon 83 Vorgänge angeleiert habe. Im berichteten Falle habe dieser angefragt, ob die Anforderungen in Einstellungstests für den gehobenen Dienst bei der Polizei ‒ und zwar bezüglich der Kompetenzen in der Rechtschreibung ‒ von der Regierung als hinreichend erachtet würden. In dem einschlägigen Diktat dürften sie bei 150 Wörtern maximal 20 Fehler machen.
Der Landtagsabgeordnete habe diese Anforderung mit jenen in der Schule verglichen, und zwar in der 4. Klasse der Grundschule (100 Wörter, 14 Fehler ergibt „ungenügend“) und der 7. Klasse des Gymnasiums (180 Wörter, 20 Fehler ergibt „ungenügend“), schlussendlich der Regierung die Frage gestellt, ob sie der Ansicht sei, die deutsche Rechtschreibung solle in Einstellungstests eine derart untergeordnete Bedeutung erfahren.
*) Kärrnerarbeit = harte körperliche Arbeit, von Karren/Wagen ziehen
  
Was ich dem Parlamentarier sagen möchte 
  1. Es wäre gewiss besser gewesen, die Beispiele zu den „Anforderungen“ prozentual statt mit absoluten Zahlen dazulegen, also
    Grundschule: 100 Wörter, 14 Fehler – entspricht 14%
    Gymnasium, 7. Klasse: 180 Wörter, 20 Fehler – entspricht rd. 11%
    Einstellungstest Polizei: 150 Wörter, 21 Fehler – entspricht 14% (max. 20 Fehler sind erlaubt)
    So sieht man, dass die Unterschiede in den Bewertungen als eher gering einzustufen sind.
  2. Die „Anforderungen“ eines Diktats resultieren ja nicht nur aus Fehler-Bewertungsskalen, sondern in erheblicher Weise aus dem Schwierigkeitsgrad des Textes, dem zugrunde liegenden Wortschatz und auch den Techniken des Diktierens.
    Ich bin relativ sicher, es wäre mir ein Leichtes, ein Diktat zu konzipieren, bei dem auch jede Menge Parlamentarier mit einer beachtlichen Fehleranzahl aufwarten würden. Und der Autor des Artikels auch (siehe Wortliste im Anhang).
  3. Diktate in der Schule sind in der Regel in einen Kontext eingebunden, beziehen sich auf vorausgegangenen Unterricht und Lerninhalte. Diese „Einbettung“ ist bei einem Einstellungstest wohl nicht gegeben, was ihn erheblich schwieriger macht und zugleich den Stress bei den Probanden erheblich erhöht.
  4. Es geht um den „gehobenen“ Dienst. Die Probanden haben mithin Abitur oder mindestens Fachabitur. Hier werden also „fertige“ Absolventen unseres Bildungssystems geprüft. Da dürfen, nein, müssen die Anforderungen hoch angesiedelt sein.
  5. Bewertungsskalen resultieren immer auch aus den Testergebnissen. Was nützt es, die Maßstäbe höher zu setzen, wenn in Folge viele oder gar alle Probanden durchfallen? Polizisten werden gebraucht, heute mehr denn je. Also muss der Einstellungstest leichter gemacht werden.
    Der Hase liegt hier wo ganz anders begraben, nämlich in der Qualität der einschlägigen schulischen Bildung.
Nichsdestotrotz gebührt dem Parlamentarier Respekt. Denn er fasst ein heißes Eisen an. Und er appelliert gegen die seit vielen Jahren, gar Jahrzehnten anhaltende Entwicklung, die Anforderungen im Bereich „Rechtschreibung“ immer weiter zu reduzieren.
Es hat Zeiten gegeben, Mitte des vorigen Jahrhunderts, da bedeutete einzig eine Fünf in Fach Deutsch das Nichtbestehen der „Reifeprüfung“. Von da an ging’s bergab mit den einschlägigen Anforderungen. Inzwischen sind wir so weit, dass die Inkompetenz in der Rechtschreibung längst an den Universitäten angekommen und die Entwicklung als dramatisch zu bezeichnen ist.
Man darf aber fast sicher sein, dass die lobenswerte Kleine Anfrage des Landtagsabgeordneten ohne jede Wirkung im Sande versickern wird.


20 Fehler in einem 150 Wörter umfassenden Text?
Lassen Sie mich das mal visualieren. In Schreibschrift mit 1,5 Zeilen Abstand füllt das etwas mehr als eine halbe DIN-A4-Seite. Darauf 20 Fehler, das sieht dann mit Fehlermarkierung so aus:


„Das ist zu viel des Schlechten“, würde wohl jeder sagen, allein aufgrund des optischen Eindrucks. Eigentlich ist es zu viel, als dass man so etwas durchgehen lassen könnte. Bei einer ganzen Seite wären das an die 40 Fehler. Auf Neudeutsch: ein No-Go (Duden, 26. Auflage).
Ein Personalchef müsste da wohl eher abgeneigt sein; es sei denn, bei allen anderen Bewerbungen sieht es noch schlimmer aus.


Was ich dem Autor des Artikels sagen möchte

Ich habe so meine Zweifel, ob der Autor ein Gespür dafür hatte, die Ernsthaftigkeit eines solchen Anliegens nicht in seiner spitzen Ironie untergehen zu lassen.
Seine Bemerkung »Als Journalist sollte man sich zwar besser hüten, über Fehlerquoten anderer zu schreiben – es sei denn, man freut sich über die Leserbriefe von pensionierten Oberstudienräten, die die Zeitung offenbar bisweilen mit dem Rotstift in der Hand lesen.« lässt mich zweifeln.
Ich bin zwar kein pensionierter OstR, aber ich ärgere mich schon des Öfteren über die Rechtschreibfehler in der Rheinpfalz und derartig abfällige Bemerkungen jener, die sie zu verantworten haben. Ich denke, dass Zeitungen und ihre Redakteure und Journalisten hier eine besondere Verantwortung haben und möglichst keine Beiträge dazu leisten, noch weitere Fehler unter’s Volk zu bringen. Da haben wir beileibe schon genug.
Seine Hoffnung »Dieser Text hat übrigens über 500 Wörter – und hoffentlich nicht mehr als 20 Fehler.« hat sich allerdings erfüllt: Es gibt nur einen Fehler in seinem Text, der allerdings deftig, weil dem Bereich „Grundkompetenzen“ zugehörig.

Der Autor würde wohl eine Initiative „Rettet die deutsche Rechtschreibung“ gerne unterstützen, denn er schreibt im Schlusswort »Und mal ganz ehrlich: Es wäre schon schön, wenn die Protokolle von Beamten weniger Rechtschreibfehler hätten als ein „ungenügendes“ Diktat eines Viertklässlers. Oder?«
Ja! Aber nicht nur bei Polizisten, sondern auch bei Abiturienten, in Masterarbeiten von Studierenden, bei Lehrkräften und Journalisten, und und und.
Und wir sollten unsere Schriftsprache nicht retten wollen, weil das schön wäre, sondern?
Übrigens ist es wohl nicht eine Hauptbeschäftigung von Polizisten im gehobenen Dienst, Protokolle zu schreiben.
Jene Menschen, die immer zahlreicher mit immer eklatanteren Defiziten in der Rechtschreibung daherkommen, wollen tragende Säulen unserer Gesellschaft sein/werden. Schlussendlich bestimmen sie vielleicht mit bei der Frage, welche Bedeutung die Rechtschreibung in unserem Bildungssystem besitzen soll.
Womit sich der Kreis schließt. Oder sagen wir besser: Womit die Spirale nach unten Fahrt aufnimmt.



Anhang:
Nebenstehend eine Wortliste, anhand derer man einen schwierigen Rechtschreibtest konzipieren könnte.


"Fies zusammengestellt" bedeutet, dass die Abfolge der Wörter so bedacht gewählt ist, dass sie die Testpersonen in Zweifel geraten lässt.
Lassen Sie sich die Wörter diktieren. Und vertrauen Sie Ihrem "Bauchgefühl"!
Vorausgesetzt, Sie haben ein solches beim Erlernen der Rechtschreibung entwickelt.






Nachtrag:
Es war etwas mühselig, im Netz Beispiele zu finden zu den Diktaten beim Einstellungstest für den Polizeidienst (es gibt wohl Firmen, die das Training dafür zum Geschäftsmodell gemacht haben).
Eine Seite, auf der man 6 Beispiele solcher Diktate kostenlos zum Downloaden findet, ist jene der Landespolizei Schleswig-Holstein. Dort ist auch der Ablauf erläutert:

  • Der gesamte Text wird einmal vorgelesen.
  • Dann wird der erste Satz vorgelesen.
    Es folgt ein Teilsatz und Sie beginnen mit dem Schreiben. Ein weiterer Teilsatz folgt, den Sie ebenfalls aufschreiben.
    Im Anschluss wird der gesamte Satz noch einmal vorgelesen.
  • So wie beschrieben, wird mit dem gesamten weiteren Text verfahren.
  • Am Ende wird das gesamte Diktat noch einmal vorgelesen.
Auf der Seite der Polizei RLP steht übrigens zu lesen: »Das Diktat wird diktiert und von dir am Computer geschrieben.«

Diese Texte sind sehr moderat, entstammen einem realistischen Kontext, es gibt keine Häufung von Schwierigkeiten, sie werden bestens und deutlich und in einer guten Technik diktiert.
Ehrlich gesagt ist es für mich kaum vorstellbar, dass Schulabgänger mit Realschulabschluss oder Abitur dort viele Fehler machen.
Wenn dem tatsächlich so ist: Armes Deutschland … oder besser: Arme deutsche Schule.


 

Donnerstag, 28. Juli 2016

Imagekampagne

… für die »Realschulen plus« in Rheinland-Pfalz

Anmerkung:
Ein „Redaktionsgespräch“ mit der neuen Bildungsministerin in RLP, Dr. Stefanie Hubig, über das die MAZ (Mainzer Allgemeine Zeitung, 20. Juli 2016) berichtet, war Auslöser für diesen Post.


In RLP wurde ja jüngst (2016) eine neue Regierung gewählt.
Wer Hoffnung hatte auf einen grundlegenden politischen Wandel, wurde enttäuscht: Die bisherige SPD-Führung hat sich hauchdünn gerettet, im wahrsten Sinne dieses Wortes, nunmehr in einer Ampelkoalition statt wie bisher in Rot-Grün.
Mancher Wähler, der seine Stimme der FDP gab, weil er sich mit deren »Programm« in bestimmten Handlungsfeldern mehr oder gar sehr viel mehr identifizieren konnte, wurde enttäuscht. Und zwar ob der Tatsache, dass die „Hoffnungsträger“ sich eingelassen haben auf eine Regierungsbeteiligung, obwohl sie wahrscheinlich recht viele ihrer Ideen und Vorstellungen auf dem Opferstock der Koalitionsvereinbarung verbrennen mussten.
Die hauchdünne Mehrheit der Ampelkoalition erlaubt keine „Abweichler“. So konnten sich manche Bürger bei der Abstimmung über das Misstrauensvotum im Zusammenhang mit dem Verkauf des Flugplatzes Hahn des Eindrucks nicht erwehren, als habe es überhaupt keine Rolle gespielt, worüber denn eigentlich abgestimmt wurde.

Jenen Menschen, die mit der Bildungspolitik des Landes (Schulstrukturreform mit Abschaffung der Realschule in der bisherigen Form) nicht einverstanden waren und sind – ein Tsunami wurde losgetreten, mit dessen weitreichenden Folgen noch heute (und in Zukunft) gekämpft wird – blieb die Hoffnung auf neue Impulse der Parteien, aber auch auf die neue Spitze im Bildungsministerium.

Schon die Vorgängerin im Amt, Frau Vera Reiß, hatte in einem Redaktionsgespräch mit der Rheinpfalz (die RHPF berichtete am 23. Juni 2015 darüber) geäußert, sie sei sicher, „dass die Schulform »Realschule plus« eine Zukunft habe“. Anlass war der überproportionale Rückgang der Anmeldezahlen. Sie wolle „die Eltern zukünftig besser über die Ausbildung in der Realschule plus informieren und über die Möglichkeit, auch aus dieser Schulform heraus zur Hochschulreife zu gelangen.“
Diese Äußerung veranlasste mich, einen Text zur verfassen (auf meiner Homepage unter dem Titel „Die Reißleine ziehen“ eingestellt). Ich bin nämlich der festen Überzeugung, dass Frau Reiß hier irrte, und dass jedwede Information der Eltern nicht bewirken kann, der Entwicklung eine andere Richtung zu geben – sie ist nach meinem Dafürhalten zwangsläufig.

Dass auch Frau Hubig (die „nie einen Hehl daraus gemacht hat, dass Bildungspolitik neu für sie ist“, so die MAZ) dies nunmehr aufgreift, lässt erahnen, wie schwer es die Bildungsministerin haben wird, dieser Politik ein eigenes Profil geben und womöglich Fehlentwicklungen zu korrigieren.

Überschrieben mit „Imagekampagne für Realschulen plus“ wird sie zitiert: „Wir müssen da was machen, eine Imagekampagne und die Lehrer noch stärker zusammenbringen.“ Die letzte Bemerkung zielt wohl auf die derzeitig laufenden Wechselprüfungen (gemäß Auflage eines Gerichtsurteils in „einfacherer Form“), mit Hilfe derer die bisherigen Hauptschullehrer auf ein höheres Besoldungsniveau gehoben werden.

Imagekampagne? 
Da frage ich mich, mit welchen Fakten das Bild (Image) dieser Fehlgeburt aufpoliert werden soll. Sollen da Werbestrategen beauftragt werden? Oder sollen Sachargumente her, mit denen man die Betroffenen zu überzeugen sucht? Welche?

Es geht nichts daran vorbei:
Die Realschule plus ist nun die unterste Stufe im System der weiterführenden Schulen. Dort sind gleich alle versammelt, die es nicht schafften (aus welchen Gründen auch immer) oder nicht schaffen wollen, eine bessere Option wie IGS oder Gymnasium zu erlangen – der Schmelztiegel im Schulsystem. Genau das war die Krux der ehemaligen Hauptschule, die ihren Niedergang bewirkte.

Ein namhafter Vertreter des Realschullehrerverbandes äußerte anfänglich (dem Sinne nach), was das denn werden solle, wenn man Kranke und Gesunde zusammenpferche. Den Kontext fand ich nicht gerade sonderlich gut gewählt. Er versuchte aber, einen durchaus wahren Sachverhalt in den Blick zu nehmen.
Das relative Siechtum und der Niedergang der Hauptschule waren ja nicht darin begründet, dass das per se eine schlechte Schulart gewesen sei. Ob ihrer Krux wurde sie immer weniger angenommen. Und dieses nach wie vor ungelöste Problem hat man nun der zuvor hervorragend aufgestellten Realschule implantiert. Was daraus werden wird, beginnt sich abzuzeichnen.

Imagekampagne! 
Die gab’s übrigens auch für die ehemaligen Hauptschulen.

Ich beglückwünsche jene Bundesländer, die den Schritt noch nicht gegangen sind, aus ihrem dreigliedrigen Schulsystem ein zweigliedriges zu machen. So lange man nicht die IGS (die Dreigliedrigkeit unter einem Dach) zur Regelschule macht, ist das dreigliedrige System ganz gewiss das bessere.

Donnerstag, 31. März 2016

Die 4 Dalton-Brüder

... in der Mathematik.
Wenn Sie mit Mathe rein gar nichts am Hut haben, dann lesen Sie diesen Post nicht.


Als Mensch im Ruhestand habe ich ja jede Menge Freizeit, so glauben es zumindest jene, welche diesen Stand noch nicht erreicht haben. Ich habe die Gelegenheit genutzt, um wieder mal ein wenig in meinem „Erinnerungskästchen“ zu kramen.

Dabei sind mir die Dalton-Brüder eingefallen, die mir vor einiger Zeit in einem Mathematik-Lehrwerk für die 10. Klasse begegnet sind, bei der Nachhilfe für meinen Enkel (der inzwischen in der Oberstufe ist). Welches Buch das war, verrate ich natürlich nicht, womöglich kriege ich dann Ärger mit dem Verlag. Und einen Screenshot der Aufgabe nebst zugehörigem Bildchen, … lieber nicht, wegen des Copyrights.

In den letzten Jahrzehnten war es ja geradezu ein Boom, der Mathematik, oder genauer gesagt den dortigen Aufgaben, einen zeitgemäßen Anstrich zu verpassen. Mathematik aus dem Leben für das Leben, offener MU und problemorientierter MU, Aufgabenkultur usf. waren die Schlagworte, welche die Bildungsstrategen und die Lehrerschaft und auch die Verlage beschäftigten. Die Resultate kann man inzwischen in nahezu allen Lehrwerken besichtigen, aber was ich da sehe, gefällt mir ganz und gar nicht. Doch das auszuführen, ist ein anderes Thema. Zurück zu den Daltons: Lassen Sie mich die Aufgabenstellung beschreiben, gleich ein wenig kommentiert.

Die vier Daltons (16-Jährige kennen diese Brüder, ... oder nicht mehr, denn Wilder Westen ist out) schießen mit ihren Revolvern auf das Kommando „Feuer!“ senkrecht nach oben (sind ja gute Schützen, die schaffen das, … wie mit der Wasserwaage justiert). Die (ausdrücklich) näherungsweise Funktionsgleichung für „Höhe h nach t Sekunden“ ist angegeben. Wann die Kugel aus der Waffe des großen Dalton (aus 2 Meter Höhe abgefeuert) wieder auf dem Boden aufschlägt, soll auf 2 Nachkommastellen berechnet werden, ebenso für den kleinen Dalton, der aus 1,20 m Höhe schießt.

Helfen Sie mir auf die Sprünge: Die Funktionsgleichung gibt die Flugbahn näherungsweise wieder, die Gleichzeitigkeit der Schüsse wird wohl auch nicht so perfekt gelingen, … aber dann auf hundertstel Sekunden berechnen?
Warum die Aufgabenstellung das vorgibt, wird dem Insider klar, wenn er die Lösungen errechnet. Für den großen Dalton 20,02 Sekunden, für den kleinen 20,01 Sekunden.

Der „kleine Dalton“ (waren die wirklich so unterschiedlich gewachsen?) hat, bei einer Armlänge von ca. 80 cm, eine Fuß-Schulter-Höhe von 40 cm. Ich muss mal recherchieren, ob der kleinwüchsig war. Gemeint sind also nicht die „echten“ Daltons, sondern die Comic-Figuren, die tatsächlich derart „missgestaltet“ daherkommen.
Ach ja, die Aufgabe ist ausgestaltet mit einer Comic-Zeichnung der Daltons beim Schießen in die Luft (für ein Mathematikbuch, würde ich meinen, ist das funktionslos, aufgepeppt eben). Die vier Schüsse gehen treffgenau durch die vier Herzen einer in der Luft schwebenden Herz-Spielkarte. Lustig!

Vielleicht soll aber die Aufgabe den kritischen Umgang der Lernenden mit solchen Aufgabenstellungen provozieren. Allein, mir fehlt der Glaube.
Und jede Wette: Sollten die Kids auf die Idee kommen, die vorgegebene Zeit-Höhe-Funktion graphisch darzustellen (z. B. mit GeoGebra), dann werden sie damit die Flugbahn der Kugel assoziieren, was aber falsch ist. Das abzuklären, wäre ein mathematischer Wert, den man aus der Aufgabe extrahieren kann.



Dabei wären Fragen wie „Fallen die Kugeln den Daltons womöglich auf den Kopf?“ und „Ist das gefährlich?“ oder „Werden die Kugeln vom Winde verweht?“ durchaus interessant. Ich fürchte aber, diese Fragen werden nicht gestellt.
Für Ballistiker und Waffenexperten ist das zweifelsohne spannend. Wen das interessiert, der möge sich das Video der ARD „Kann man von einer herabfallenden Gewehrkugel tödlich getroffen werden?“ aus der Sendung „Kopfball“ anschauen.

Aus der Perspektive der Lernenden würde ich meinen: Wann die Kugel wieder unten ist, das interessiert keine Sau. Und der gute Herr Jean Piaget würde sich im Grabe rumdrehen, könnte er sehen, womit wir hier die Schülerinnen und Schüler beschäftigen.
Und ich übrigens auch, aber zum Glück liege ich ja noch nicht drin.


Dienstag, 29. März 2016

Fächerverbindender Unterricht

Mit den nachstehend verlinkten Beiträgen dokumentiere ich, gleichsam als Nachtrag zu meinen Posts "Trick17", mein Verständnis von "fächerverbindendem Unterricht" aus der Perspektive des Faches Mathematik.
Gewinnen Sie einen Eindruck, wie vernetzt und komplex der "Blick über den Tellerrand" ist, und welche Kompetenzen es braucht, um diese Strukturen in anderen Fachbereichen aufzuspüren und gewinnbringend für Lernende zu erschließen.
  1. Grundsätzliche Ausführungen zum fächerverbindenden Unterricht 
  2. Ausführungen zur Thematik – Warum fächerverbindener Unterricht? – Individualität aufbrechen – Zeitweise Kooperation – Beispiele Mathe/Erdkunde*) – Kooperation in nicht-didaktischen Feldern – Thematische Projektarbeit
    *) Gradnetz der Erde; Profile; Sich orientieren; Die Sonne strahlt; Jahreszeiten; Winkel? - Winkel!; Nachts, wenn die Sonne scheint; Tageslängen; Darstellungen der Erde


  3. Mathematik kooperiert mit ...
    ... Erdkunde, ... Bildender Kunst, ...Deutsch, ... Fremdsprachen, ... Sozialkunde, ... Sport